Mi.
27.02.2002
Ablehnungskurs Union weist rot-grünen Zuwanderungskompromiss ab
Union bleibt bei Nein zu Zuwanderungsgesetz In der vorliegenden Fassung sei es eine Mogelpackung Mi. 27.02.02 - Zwei Tage vor der Abstimmung im Bundestag über das Zuwanderungsgesetz der Bundesregierung stehen die Chancen auf eine Einigung mit der Opposition schlecht. CDU und CSU lehnen auch den jüngsten Kompromissvorschlag ab. Auch die PDS bleibt bei ihrem Nein. In dem überarbeiteten Entwurf von SPD und Grüne fehle eine eindeutige Begrenzung der Zuwanderung. Die Union kritisierte außerdem die Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Ausländer. Zudem seien die Ausnahmeregelungen beim Nachzug von Ausländerkindern zu großzügig. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) sagte dem Bonner "General-Anzeiger" (Mittwochausgabe), die Bundesregierung versuche, mit der Union "Spielchen zu machen". So habe die Regierung ausführlich mit der PDS verhandelt und mit Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), auf dessen SPD/CDU-regiertes Bundesland es bei Abstimmung im Bundesrat ankommt. Die Unionsfraktion im Bundestag müsse dagegen binnen 30 Stunden den 58 Seiten starken Änderungsantrag von SPD und Grünen studieren, kritisierte Merz. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte den Kompromissvorschlag am Montagabend vorgestellt. Merz könnte sich auch eine Verschiebung der Bundestags- Entscheidung auf die nächste Sitzungswoche Mitte März vorstellen. "Damit habe ich überhaupt kein Problem", sagte der CDU-Politiker. Der geänderte Gesetzentwurf wird an diesem Mittwoch vom Innenausschuss des Bundestages behandelt. Am Freitag soll der Bundestag abschließend über das Gesetz abstimmen. Der Bundesrat wird sich voraussichtlich am 22. März mit der Zuwanderung befassen. Der CDU-Zuwanderungsexperte und saarländische Ministerpräsident Peter Müller sagte der Frankfurter Rundschau am Dienstag, wer wirklich einen Kompromiss in der Zuwanderungspolitik wolle, müsse das Gesetz "nicht im Schweinsgalopp durch das Parlament" treiben. Besser sei es, im Innenausschuss des Bundestages noch einmal gründlich zu beraten, und die Abstimmung um mindestens 14 Tage zu verschieben. "In der vorliegenden Form" sei es eine "Mogelpackung", in der die zentralen Forderungen der Union unerfüllt seien. Deshalb könne er dem Gesetz nicht zustimmen. Ihm ist unter anderem das Ziel der Zuwanderungsbegrenzung zu vage formuliert. Von einer "Mogelpackung" sprach auch der Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach. Deshalb würden CDU und CSU am Freitag mit Nein stimmen. Diese Haltung hatten Müller, Bosbach und Bayerns Innenminister Günther Beckstein am Dienstag telefonisch abgesprochen. Auch der Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) und die CDU-Vorsitzende Angela Merkel lehnten am Dienstag die Änderungen im Gesetzesntwurf als nicht ausreichend ab. Dagegen sieht der stellvertretende CDU-Chef Christian Wulff durch die Vorschläge die Aussichten auf einen Kompromiss gestiegen. Das Angebot sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagte er der Neuen Presse (Hannover). Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sagte am Dienstagabend in Berlin, wenn es beim jetzigen Entwurf bleibe, könne er sich eine Zustimmung seines Bundeslandes schwer vorstellen. Einzelne Formulierungen wie etwa beim Familiennachzug nannte er "perfide". Der Bundesregierung warf er vor, die Union und die große Koalition in Brandenburg spalten zu wollen.Ein endgültiges Urteil werde sich die Landesregierung in Potsdam in drei Wochen bei einer Kabinettssitzung bilden. Weil ein Ja Brandenburgs dem Gesetz im Bundesrat die Mehrheit bringen könnte, hat der Potsdamer CDU-Chef eine Schlüsselstellung. Die CDU(SPD-Koalition in Bremen legte sich am Dienstag nicht eindeutig fest. Innenminister Otto Schily (SPD) warf der Union vor, den Inhalt des Gesetzes demagogisch zu verzerren. Es sei "verantwortungslos", wenn CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz behaupte, durch das Gesetz werde die Zuwanderung nach Deutschland enorm gesteigert. Er gehe davon aus, dass vor allem "die Zuwanderung in die Sozialsysteme" durch die Neuregelung sinke, sagte Schily. Er rechnet weiter mit einer breiten Mehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat. Eine Anrufung des Vermittlungsausschusses komme nicht mehr in Betracht. Die jetzt erstellte Endfassung des Gesetzes könne sich sehen lassen, sagte Schily in Berlin. Auch die PDS-Fraktion im Bundestag lehnt den Gesetzentwurf trotz jüngster Änderungen ab. Die PDS-Abgeordneten beschlossen am Dienstag einmütig, gegen das Zuwanderungspaket zu stimmen, wenn es nicht noch gravierende Änderungen gebe. Die PDS-Innenpolitikerin Petra Pau erinnerte an ihre Forderungen nach einem Familiennachzug für Kinder bis 18 Jahre, einem Einstieg in die Legalisierung von Flüchtlingen ohne legalen Aufenthalt, der Abschaffung von Abschiebehaft und an weitere PDS-Wünsche, die nicht erfüllt würden. Aktueller Nachtrag: Zuwanderungskonsens scheint endgültig gescheitert Der von der Wirtschaft, den Kirchen und den Sozialverbänden geforderte parteiübergreifende Konsens in der Zuwanderungspolitik scheint nach mehr als zweijährigen Verhandlungen kaum noch erreichbar. Die rot-grüne Koalition lehnte am Mittwoch in Berlin von der Union geforderte weitere Nachbesserungen an ihrem Gesetzentwurf ab. Der Innenausschuss des Bundestages hat gegen die Stimmen von Union und PDS, bei Enthaltung der FDP, das rot-grüne Zuwanderungsgesetz angenommen. Der SPD-Innenexperte Wiefelspütz sagte nach der fünfstündigen Sitzung des Gremiums, die Koalition habe mit ihrer eigenen Mehrheit für das Gesetz gestimmt. Mit der Entscheidung ist der Weg frei für die abschließende Beratung des Gesetzes am Freitag im Bundestag. Der CDU-Innenexperte Marschewski kritisierte, die Koalition sei in keinem einzigen Punkt auf CDU und CSU zugekommen. "Das ist das Ende des Konsenses im Innenausschuss und im Deutschen Bundestag, und wir gehen davon aus, dass der Gesetzentwurf auch im Bundesrat scheitern wird", sagte Marschewski. Deshalb werde er seiner Fraktion empfehlen, das Zuwanderungsgesetz abzulehnen. Die Länderkammer ist für das Zuwanderungsgesetz die entscheidende Hürde, weil dort SPD und Grüne keine eigene Mehrheit haben. Die
katholische Kirche griff die Unionsparteien wegen ihrer
ablehnenden Haltung harsch an. Der katholische Erzbischof von Berlin,
Kardinal Georg Sterzinsky, bezeichnete die von der
CDU/CSU verlangten Nachbesserungen als eine "Schande".
Dadurch werde der Gesetzentwurf nicht verbessert, sagte er dem
"Kölner Stadtanzeiger" (Donnerstagausgabe). Das rot-grüne Kompromissangebot Mi. 27.02.02 - Ein 58-seitiger Änderungsantrag der rot-grünen Regierungskoalition soll den Bundesrat dazu bewegen, das Zuwanderungsgesetz doch noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Mit dem Gesetz soll die Zuwanderung nach Deutschland gesteuert und an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes ausgerichtet werden. Die Kernpunkte des Zuwanderungspapiers: Nachzugsalter: Begrenzung der
Zuwanderung: Härtefallregelung: Integratiionskosten: Regelung des
Arbeitskräfte-Zuzugs: Zuzug von
Selbstständigen: Ausländerbeauftragter: Neues
Zuwanderungsrecht Nachtrag vom 02.03.02: Bundestag verabschiedet Zuwanderungsgesetz Der Deutsche Bundestag hat mit den Stimmen der Koalition das Zuwanderungsgesetz verabschiedet. Die Unionsfraktion stimmte beinahe geschlossen gegen den Entwurf, nur die frühere Bundestagspräsidentin Süssmuth, der Sozialpolitiker Geißler und der Abgeordnete Schwarz-Schilling votierten für das Vorhaben der Bundesregierung. Süssmuth hatte eine parteiübergreifende Kommission geleitet, die im Juli 2001 Empfehlungen für das Zuwanderungsgesetz vorgelegt hatte. Bei der PDS, der der Gesetzentwurf nicht weit genug ging, gab es 26 Nein-Stimmen und sieben Enthaltungen. Die Liberalen enthielten sich bis auf ihren Abgeordneten Haussmann, der für die Vorlage votierte. Entscheidende
Hürde für das Gesetz ist der Bundesrat. Die unionsregierten
Länder hatten angekündigt, das Gesetzesvorhaben dort am 22.
März scheitern zu lassen. "Nach
unserem Gewissen" Leitlinien
der Süssmuth-Kommission Die vom Bundesinnenminister eingesetzte unabhängige und parteienübergreifende Zuwanderungskommission ("Süssmuth-Kommission", benannt nach ihrer Vorsitzenden) hatte zur Aufgabe, alle Tiefen und Untiefen des Zuwanderungsthemas auszuloten, bevor sich die Bundesrepublik auf eine neue Einwanderungspolitik festlegt. Die Wochenzeitung
"Die Zeit" (28/2001) veröffentlichte im vergangenen Jahr
eine Zusammenfassung der von der Süssmuth-Kommission erarbeiteten
Leitlinien für eine neue Einwanderungspolitik in
Deutschland: Abrufbar unter: Der
vollständige Bericht der Süssmuth-Kommission als PDF-Datei
unter: Zuwanderung gibt es seit Bestehen der Bundesrepublik Jahrzehntelang galt Deutschland nicht als Einwanderungsland. Doch Zuwanderung gibt es seit Bestehen der Bundesrepublik. Seit 1954 zogen 31 Millionen Deutsche und Ausländer nach Deutschland, 22 Millionen Menschen zogen wieder weg. Gegenwärtig leben etwa 7,3 Millionen Ausländer in Deutschland. Das entspricht knapp 9 Prozent der Gesamtbevölkerung. Fast jeder zweite lebt schon seit mehr als 15 Jahren hier. Manche bleiben nur vorübergehend, andere lassen sich einbürgern. Die Zuwanderung hat viele Gründe. Es kommen Flüchtlinge und politisch Verfolgte, Spätaussiedler, ausländische Studenten, Saisonarbeiter, Fachkräfte und Familienangehörige. Die Arbeitsmigration - in den 60er Jahren noch «Gastarbeiter» genannt - wurde durch den Anwerbestopp von 1973 unterbunden, dann aber in Teilbereichen durch eine Vielzahl von Ausnahmen erlaubt. Zuwanderer aus der EU genießen Freizügigkeit. Die Entwicklung am Arbeitsmarkt und der Bevölkerungsrückgang zwingt nach Ansicht von Forschern trotz der hohen Arbeitslosigkeit zu einer Regelung der Zuwanderung. Arbeitsmarktforscher weisen darauf hin, dass eine Million Stellen für besonders qualifizierte Kräfte nicht besetzt werden können. Bevölkerungswissenschaftler heben noch einen anderen Aspekt hervor: Soll die Bevölkerung nicht schrumpfen, muss der "Reproduktionsfaktor» (Geburtenhäufigkeit pro Frau) bei 2,1 liegen. In Deutschland liegt er bei 1,4. Bleibt es dabei, sinkt nach einer UN-Studie die Zahl der Deutschen bis 2050 auf 58 Millionen. Bei zunehmender Veralterung hätte dies weit reichende Folgen für die Sozialsysteme. Inzwischen haben alle Parteien faktisch anerkannt, dass Deutschland ein Einwanderungsland geworden ist. Bei der Frage einer Regelung gehen die Ansichten jedoch weit auseinander. Der rot-grüne Regierungsentwurf will die Zuwanderung steuern und begrenzen sowie die bislang vernachlässigte Integration ausländischer Mitbürger verbessern. Die zum Teil unüberschaubaren Bestimmungen der verschiedenen Gesetze sollen modernisiert und die Vielzahl der Aufenthaltstitel auf nur zwei reduziert werden: eine (befristete) Aufenthaltserlaubnis und eine (unbefristete) Niederlassungserlaubnis. Linktips zum Thema Zuwanderung Welche
Ausländer wollen die Deutschen? Artikel zur
Ausländerpolitik Wollen wir sie
reinlassen? Zuwanderungsdebatte Bericht der
Unabhängigen Kommission "Zuwanderung" (Süssmuth-Kommission) Vollständiger
Bericht der Süssmuth-Kommission Zuwanderungs-Kommission
der CDU: Gesetzentwurf der
Fraktionen SPD und Bündnis 90 / Die Grünen Bundesausländerbeauftragte Mo.25.03.02 Di.26.03.02
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